Oktober. Ein Tag mit Herbstsonne und ein paar Wolken. Hinter mir liegt eine seltsame Segelsaison, in der ich mehr gesegelt bin als in den Vorjahren. Hinter mir liegen aber auch 3 sehr unangenehme Wochen. Husten, Abgeschlagenheit, Isolation von der Außenwelt. Eine Covidinfektion ist auch bei vergleichsweise mildem Verlauf unschön und belastend. Auch mental, wenn man vom Leben
weitgehend ausgeschlossen ist.
Man erkennt, wem man etwas bedeutet. Wer anruft oder kurze Nachrichten schreibt. Wer bereit ist, mal einzukaufen..
All dies liegt frisch hinter mir. Endlich wieder nach draußen dürfen.
Ich bin allein, was mir heute gut tut.
Dem Boot ist in den vergangenen Wochen nichts geschehen, verträumt schaukelt es am Steg. Plane runter. Plicht, Kajüte, Deck, alles vertraut wie je.
Blick Richtung Plauer See. Sind da hinten etwa Schaumkrönchen zu sehen? Es sind noch die großen Segel drauf und ich bin solo unterwegs..
Na, wird schon gehen. Die Routine beim Ableger ist noch da. Vor dem Hafen Segel setzen, Motor aus, und…
…
aaab die Post. Das Boot legt sich zur Seite und schießt los. Der Plauer ist schnell erreicht. Breitling oder Richtung Plaue? Ein Winddreher ermöglicht einen Anlieger bis fast zur Wusterau. Also erstmal kreuzen. Schot und Ausleger in der Hand, sitze ich auf dem Seitendeck. Ob das auf dem Stahlzwanziger was bringt? Spaß auf jeden Fall und einen besseren Überblick auch.
Dass die überstandene Infektion mir noch in den Knochen steckt, merke ich bald. Das ständige Nachtrimmen der Segel, das Aussteuern der Böen, in denen das schwere Boot einen sehr eigenen Willen entwickelt, erschöpfen. Unter dem Plauer Schloss halsen und mit achterlichem Wind retour. Schnell, unaufgeregt und erholsam ist das. Zeit, sich über das Oktoberlicht zu freuen. Nicht so grell wie im Sommer, wenn die Sonne so hoch steht. Mir scheint es ein wärmeres Licht, das bunte Laub auf den Bäumen tut ein übriges.
Die Gedanken wandern. Zurück durch die Saison. Der etwas überstürzte Beginn, nachdem ich lange gezweifelt hab, ob Segeln im Verein in diesem Jahr überhaupt möglich sein würde. Ein Pfingstwochenende mit Freunden aus Dresden. Erste Regatten nach etlichen Absagen. Ein Urlaubstörn mit dem 20er in den Bodden….
Eigentlich war seglerisch sehr viel möglich in diesem Jahr. Und es war gut auf dem Wasser, es waren Auszeiten von den zuweilen doch deprimierenden Situationen im Alltag. Es war auch immer die Erinnerung dabei, dass dies alles eben nicht selbstverständlich ist.
Kurz noch etwas essen, trinken, und dann auf den Breitling. Wind wieder fast von vorn, also Segel dicht „anknallen" und zusehen, an der Kanincheninsel vorbeizukommen. Klappt nicht ganz, ein Verholerschlag muss sein. Immer wieder das Groß aufmachen, die Böen abfangen, in denen das Boot
zunehmend zickig wird. Himmel, ist Segeln sportlich…
Bei der Kiehnwerdersüdspitze die Entscheidung zum Rückmarsch. Im Möserschen See hätte ich ziemlich viel im engen Fahrwasser kreuzen müssen. Und ich bin schon ziemlich erschöpft. Und bei
DEM Wasserstand…
Die Rücktour ist erstmal wieder ruhig, unaufgeregt und ziemlich schnell. Aber was ist das? Ogottogottogott, haut das plötzlich rein. Das Boot beschleunigt RICHTIG. Abfallen, beide Segel auf und…können Stahlboote eigentlich fliegen?
Am Ende der Böe eine sanfte Landung. Nun ist es gut. Abdrehen, Halse, Rückmarsch. Auf dem Plauer hat sich schon fast sowas wie Seegang aufgebaut. Quenzsee, Vereinshafen.
Lautlos gleitet das Boot in die Box.
Ich bin zurück. Im Hafen und im Leben.